Zensur der Moderne - von Bibi zur Bibel

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    • Zensur der Moderne - von Bibi zur Bibel

      Nächstes Jahr erscheint sie, die Neuübersetzung der Luther Bibel.
      Falls Iscalda oder Neira ein Rezensionsexemplar bekommen sollten, werden sie sicher näher darauf eingehen, aber eine der über 15.000 Änderungen im Text möchte ich jetzt schon gerne vorweg nehmen.

      Vorab sei bemerkt, dass man nach Angaben der EKD (evangelische Kirche Deutschland) bemüht war, den Text nah an die Originalübersetzung zurück zu führen (die über die Jahre und die verschiedenen Fassungen immer weiter aufgeweicht wurde), aber dabei ganz bewusst auf eine "Modernisierung" Luthers verzichtet hat.

      Wer über diese Aussage ein wenig nachdenkt, kommt vielleicht nicht gleich auf die Idee, dass das Wort "Heiden" der Überarbeitung zum Opfer gefallen sein könnte. Genau so ist es aber.
      Die EKD erklärt dazu, man habe einige Wörter, die veraltet sind und nicht mehr verstanden werden, ersetzt.
      Nun gut, ich kenne das Wort "Heiden" noch, aber vielleicht ist es jüngeren Forenmitgliedern nicht mehr geläufig.
      Vielleicht starren Schokoherz und Akira jetzt verwirrt auf den Text und denken sich: "Heiden? Ich kenn nur Heidelore."

      In diesem Fall helfe ich natürlich gerne. Ein Synonym für Heiden, das jeder verstehen dürfte ist: Ungläubige. Also Anhänger anderer Religionen, die nicht an den Gott der Juden (und des Christentums) glauben.

      Nun denkt ihr euch vielleicht, statt "Heiden" würde nun "Ungläubige" in der Bibel stehen, weil man sich ja nahe am Original halten, und die Lutherischen Gedankengänge damit nachvollziehen wollte.
      Falsch gedacht!
      "Heiden" werden in der Neuübersetzung durch "Völker" und "Nationen" ersetzt. Damit wird der Sinn des Wortes - und damit auch der Sinnzusammenhang der Texte, die (im Alten Testament die Juden, und im neuen die Christen) auf einer klaren Unterscheidung zwischen den Gläubigen und eben den ... Heiden beruhen.
      Gott strafte die Ägypter nicht mit den Sieben Plagen weil sie eine Nation oder ein Volk waren. Es plagte sie, weil sie Heiden waren und "Götzen" anbeteten.
      Ob der Begriff "Götze" in der neuen - eindeutig politisch korrigierten - Neufassung der Bibel noch vorkommt, weiß ich nicht. Vermutlich wurde er durch "Standbild" oder "Skulptur" ersetzt.
      Man will ja niemanden beleidigen.

      Versteht mich nicht falsch: wir leben in einer Welt, die immer mehr zusammenwächst. Und man sollte bei den verschiedenen Gruppen von Menschen auch mehr auf Gemeinsamkeiten achten, als auf Unterschiede.
      Religion, Herkunf oder Hautfarbe sollten nicht zur Ausgrenzung führen. In heutigen, modernen Texten wird das Wort "Heiden" nur noch von religiösen Extremisten und Randgruppen verwendet (jedenfalls im Christentum), und das ist auch gut so.

      Aber wer Hand an historische Texte legt und deren Bedeutung so fundamental verändert, bzw. verwässert, der tut damit niemandem einen Gefallen, der betreibt sogar, aus meiner Sicht, Geschichtsfälschung.

      Und das beziehe ich nicht nur auf die Bibel. Auch Astrid Lindgren und Ottfired Preussler sind dieser Zensur schon zum Opfer gefallen. U.a. verschwindet das Wort "Neger" aus "Pipi Langstrumpf."

      Auch da bin ich klar dagegen. Auch diese Texte sind Zeugen ihrer Zeit, sie spiegeln das Weltbild der Zeit wieder, in der sie entstanden sind. Sie geben den damaligen Sprachgebrauch wieder. Und daran ist nichts Schlechtes. Die Welt war damals so.
      Heute wird keiner mehr Kinderbücher schreiben, in denen das Wort "Neger" vorkommt, und das ist ok so.
      Aber bereits geschriebene Texte, die weltweite Verbreitung gefunden haben, dermaßen zu zensieren, das ist einer Demokratie unwürdig.
      Und das ist auch den Autoren gegenüber unwürdig.

      Literatur ist dann gut, wenn sie Ecken und Kanten hat. Wenn sie auch zur Diskussion auffordert, zum Nachdenken anregt. Wenn sie die Zeit spiegelt in der sie entstanden ist.
      Wenn man diese Ecken abrundet und die Kanten abschleift dann macht man sich schuldig.

      Aber wenn man nicht mal vor der Bibel halt macht, dann ist wohl kein Werk mehr sicher.
      Nur in der Stille hörst Du das Wort...
      Nur in der Dunkelheit siehst Du die Sterne...
    • Huhu,

      ein spannendes Thema.

      Vorweg: Mir ist der Begriff "Heide" durchaus geläufig, "Götze" auch ;). Immerhin habe ich meine Abschlussarbeit wider Erwarten nicht in Mathe verfasst (so wie Valerian jetzt vermutlich gedacht hätte^^), sondern in Religion. ;)

      Mich stört diese Zensur auch etwas. Mit der Neuübersetzung der Bibel habe ich mich noch nicht so genau befasst, aber da in diesem Bereich einiges schief läuft, wundert mich das nicht wirklich.
      Aber das Beispiel des Negers finde ich gut. Klar, ich bin kein Sprachwissenschaftler, aber ich glaube, dass durch die Zensur Begriffe noch weiter ins Verächtliche gezogen werden, als sie schon sind. Alte Leute nutzen den Begriff "Neger" ganz normal als Synonym für schwarze Menschen und dahinter steckt keineswegs eine böse Absicht. Als junger Mensch, dem eingetrichtert wurde, dass man dieses Wort nicht benutzen darf, weil das und das, schreckt zurück und fragt sich, warum diese Menschen das böse Wort in den Mund nehmen.
      Ein Wort ist nicht böse, es wird böse gemacht.
      Durch solche Zensuren noch viel mehr.

      Mir fällt da beispielsweise diese für mich eher doch lächerliche Gendern ein. Ich weiß nicht, wie das in Deutschland ist - ich nehme mal an, nicht viel anders - aber hier erlebt das sozusagen einen Hype.
      Ich bin mir relativ sicher, dass sich keine Frau früher benachteiligt gefühlt hat, wenn sie nicht als LehrerIN oder ÄrztIN bezeichnet wurde. Ob diese zwei - manchmal vielleicht auch mehr - Buchstaben das Selbstbewusstsein der Frau definieren, weiß ich nicht...
      Aber dadurch dass da jetzt so viel "Wert" darauf gelegt wird, ist es eine Katastrophe, wenn das in der Rede mal vergessen wird.

      Naja, viel Hype um nichts...

      So ähnlich sehe ich es mit den Begriffe. Erst wenn man das zum Thema macht, wird es zum Problem.
      Und den Begriff "Heiden" zu lernen ist wohl nicht so das große Problem, nehme ich an...
    • Hallo Valerian,

      für mich persönlich widerspricht sich schon an sich die Bezeichnung Heiden als Ungläubige hinzustellen.
      Denn die meisten Christen feiern heidnische Feste. Wie Weihnachten, Ostern usw. Also mir ist schon klar, dass sie gefeiert werden aus christlichen Überzeugungen, aber die Umsetzung sind ja eher heidnische Bräuche.

      Bezeichnen sie sich dann nicht auch gleichzeitig selbst als Ungläubige?

      Ich persönlich habe immer Probleme, wenn Religionen eine eigene Bibelüberstzung haben.
      Denn wenn man die Urtexte vergleicht, dann sind da doch gravierende Unterschiede.
      Im alten Testament z.B. war der Teufel einfach nur ein Verb. Im neuen Testament ist er das ultimative Böse.
      Dementsprechend wurden alle neueren Bibelüberstzungen darin geändert, dass der Teufel eine wirkliche "Person" oder Geist oder was auch immer ist. Aber das hebräische Wort in den Urtexten bedeutet einfach nur "sich widersetzen".

      Und wie oft wurde die Bibel im Laufe der letzten 2000 Jahren umgeschrieben? Es wurde was dazu gedichtet, weil es zu der Zeit politische Vorteile hatte usw.

      Valerian schrieb:

      Gott strafte die Ägypter nicht mit den Sieben Plagen weil sie eine Nation oder ein Volk waren. Es plagte sie, weil sie Heiden waren und "Götzen" anbeteten.
      Alleine hier ist ja schon ein Unterschied. Es wird immer viel behauptet, aber laut Bibelwissenschafltern hätte Gott die Ägypter bestraft, weil der Pharao Gottes Volk nicht aus Ägypten ziehen lassen wollte.

      Ich denke, man kann es immer drehen wie man will, jedes wird das rauslesen, was er/sie will.
      Jede Religionsgemeinschaft wird es so auslegen, dass es für sie zum Vorteil ist.

      Ich meine, bei uns hat es der Kult sogar geschaft, die Bibel so auslegen, dass in Wahrheit der Teufel der Herrscher der Welt wäre.

      Deshalb gebe ich nicht mehr sehr viel darauf, was andere Menschen meinen wie sie die Bibel interpretieren, verändern oder ansehen sollen.
      Für mich hat das nur immer einen unschönen Beigeschmack, wenn Religionen hingehen und eine neue Bibelfassung machen.

      Valerian schrieb:

      Literatur ist dann gut, wenn sie Ecken und Kanten hat. Wenn sie auch zur Diskussion auffordert, zum Nachdenken anregt. Wenn sie die Zeit spiegelt in der sie entstanden ist.

      Wenn man diese Ecken abrundet und die Kanten abschleift dann macht man sich schuldig.
      Genauso wird es aber leider gemacht.
      Wieso gibt es denn so viele unterschiedliche Religionen und Sekten? Weil jede meint für sich die Wahrheit gefunden zu haben und wieso hat fast jede Sekte/Religion ihre eigene Übersetzung? Weil sie für ihre zwecke verändert wurde.

      Wenn doch alles gleich wäre und das gleiche drin steht, wieso braucht man dann zig Bibelübersetzungen?

      Waren jetzt so meine Gedanken dazu. Weiß jetzt ehrlich gesagt gar nicht, ob es etwas am Thema vorbei ist, aber schicke es trotzdem mal ab.

      Liebe Grüße
      Simon